Auf dem 34. Deutschen Krebskongress (DKK) wurden letzte Woche in Berlin alle heißen Topics zur Onkologie diskutiert. Und durchaus provokant auch die Zukunft der onkologischen Diagnostik in der Session „Endlich ohne humane Diagnostiker? Nutzen künstlicher Intelligenz in der morphologischen und bildgebenden diagnostischen Medizin“. Auch in diesem Blog hatten wir dieses Thema schon öfter adressiert, jetzt kamen internationale Experten zu Wort.
Am Samstag morgen um 8.00 Uhr hatten sich gerade mal ein paar Dutzend der insgesamt fast 15.000 Teilnehmer im Raum London 2 eingefunden und der Vorsitzende, Prof. Wilko Weichert von der TU München, kommentierte das in seiner Eröffnung süffisant: „Wie Sie merken haben wir einen attraktiven Tagesrandtermin für unsere Session bekommen. Aber ich sage voraus, dass wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in die Mitte des Kongresses rücken werden.“
Das Programm hätte es schon heuer verdient gehabt. Prof. Joachim Denzler stellt die Chance und Risiken des „Deep Learnings“ bei der Erkennung von Strukturen und gab sich an einigen Stellen durchaus skeptisch. Nicht nur, weil maschinelles Lernen oft eine „Black Box“ ist, von der man gar nicht weiß, wie sie zu ihren Ergebnissen kommt. Er wies auch noch einmal darauf hin, dass gerade bei uns in Deutschland durch das Fehlen strukturierter Daten (Patientenakte) kaum Trainingsdaten für die Algorithmen vorliegen. Und er plädierte dafür, dass man die selbstlernenden Maschinen nicht mit den Bildern alleine lassen sollte, sondern ihnen unbedingt auch das „alte“ Wissen der menschlichen Kollegen zur Verfügung stellen. Damit, so Denzler, wird das Vorgehen transparenter und damit schneller akzeptiert.
Prof. Daniel Rückert zeigte Beispiele aus der diagnostischen Radiologie, wo KI nicht nur für Diagnose und Prognose eingesetzt wird, sondern auch schon viel früher bei der Bilderstellung und -extrahierung. Er stellte verschiedene Typen von Netzwerken vor (regression networks, encoder-decoder networks, generative adversartial networks) und Beispiele aus der UK Biobank. Und endete mit der provokanten Frage: Brauchen wir in 10 Jahren überhaupt noch Bilder? Oder werden Diagnosen dann direkt aus den Rohdaten erstellt?
Wie die Pathologie mit KI-Ansätzen umgeht, erklärte Dr. Carsten Marr vom Helmholtz-Zentrum in München anhand von statischen und mechanistischen Modellen. Nach einigen Trainingsrunden waren die Systeme seiner Arbeitsgruppe ähnlich gut wie trainierte menschliche Beobachter – hatten aber auch mit den gleichen Zelltypen ihre Probleme wie diese. Anhand von Knochenmarkausstrichen versucht man jetzt vorherzusagen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit von Vorläuferzellen ist, sich in Richtung einer chronischen oder akuten Leukämie zu entwickeln.
Zum Schluss war es an Prof. Wolfgang Weber die Frage zu beantworten: „In 10 Jahren – alles nur KI oder alles nur Hype?“. Er stellte einige der aktuellen Veröffentlichungen aus hochkarätigen Magazinen vor, die menschliche Auswerter und KI vergleichen – bei der Mammografie, beim Screenen nach Lungentumoren und anderen Neoplasien. Die Autorenteams bestanden in der Regel aus einem oder zwei gestandenen Radiologen und einem Dutzend Mitarbeitern von Google. Und er zeigte anhand einer „risk replacement“-Matrix, dass sich Radiologen – im Gegensatz zu Wissenschaftlern oder Vertretern der sprechenden Medizin (Hausärzte) durchaus in der Gefahrenzone des „Ersetzwerdens“ befinden.
Als Gesamtfazit für die Zukunft von Radiologie und anderer bildassoziierten Verfahren darf das Statement von Curt Langlotz von der American Association of Radiology gelten: „Will AI (artifical Intelligence) replace radiologists in the next 10 years? I say the answer is no. But radiologists who use AI will replace those who don’t”. Und dann dürfte die Session zur Zukunft auch eine Keynote Lecture sein.