Wissenschaftstourismus ade? Zumindest wird in der aktuellen „Corona-Phase“ einiges hinterfragt, das noch vor wenigen Wochen als uneingeschränkte Normalität galt. Für eine Posterpräsentation nach Chicago oder einen Kurzvortrag nach Helsinki – eine übliche Reisetätigkeit für einen Wissenschaftler. Manche haben es geliebt, konnte man so leicht Kollegen und Länder kennenlernen; andere eher gehasst, denn die Reisezeit fehlte einem nachher im Labor oder der Klinik.
Für die Teilnehmer großer Kongresse bot sich eine fast unüberschaubare Auswahl an Key Notes, Workshops, Sessions, Satelliten-Symposien etc. an. Interessante Vorträge verliefen parallel, dazwischen Pausen, auf die man gerne auch verzichtet hätte. Diese Zeit konnte man für die Besuche an Messeständen der Hersteller nutzen. Die größte Attraktivität vor Ort hatten Stände mit kulinarischen Incentives – aber die Information über neue Präparate oder Studien kann man auch aus anderen Quellen erhalten.
Wozu also noch einen Kongress in Präsenzform durchführen, wenn nahezu alle Kongressaktivitäten auch im Internet abbildbar sind? Manche europäischen Kongresse haben es bereits vorgemacht. Die Teilnehmer können nach eigenem Zeitplan an Webinaren teilnehmen, Moderatoren und Referenten werden zugeschaltet. Auch im Web kann man per Chat trefflich wissenschaftlich streiten. Sogar die Diskussion der Teilnehmer untereinander kann in Kleingruppen (Breakout-Sessions) organisiert werden.
Die Nutzung von Webinar- und Meetings-Software, wie Zoom oder Microsoft Teams, ist in den letzten Wochen nahezu explodiert – und ein Teil unserer Arbeitsnormalität geworden. Das Sammeln der Fortbildungspunkte kann ebenfalls via Web geschehen, Online-Akademien, wie z.B. arztCME.de, können Veranstaltungen sowohl als Live-Stream oder auch als Aufzeichnung für den späteren Punkteerwerb anbieten.
Anwendungen im Web bieten die Möglichkeit zukünftig einen „großen“ Kongress ganzjährig stattfinden zu lassen, für eine dauerhafte Diskussion und Informationsbereitstellung zu sorgen und trotzdem eine jährliche Präsenzveranstaltung (evtl. in reduziertem Umfang?) stattfinden zu lassen. Für die zahllosen kleineren Halbtages- und Tages-Veranstaltungen zur ärztlichen Fortbildung sehen wir jedoch eindeutig eine virtuelle Zukunft.