Musik beeinflusst unsere Emotionen und Körperempfindungen auf tiefgreifende Weise, wie aktuelle Studien zeigen. Neue Forschungsergebnisse könnten den therapeutischen Einsatz von Musik verbessern.
Musik hat den Menschen schon immer tief berührt. Die ersten Musikinstrumente waren wahrscheinlich Knochenflöten und einfache Trommeln aus Tierhäuten, die vor etwa 40.000 Jahren verwendet wurden. Heute wird der Einfluss der Musik auf den Menschen auch wissenschaftlich erforscht.
Eine groß angelegte Studie der Universität Wien während des Corona-Lockdowns zeigte, dass Musik Stress abbaut und die Stimmung verbessert. Die in JAMA Network Open veröffentlichte Studie untersuchte mehr als 700 Personen in Österreich und Italien von April bis Mai 2020. Die Teilnehmer berichteten täglich über eine App über ihr Wohlbefinden und ihr Musikhörverhalten. Das Hören von Musik, insbesondere von fröhlicher Musik, war mit niedrigeren Stresswerten und besserer Stimmung verbunden. Personen mit hohen Stresswerten profitierten am meisten von der Musik. Am häufigsten wurde Musik zur Aktivierung und Entspannung gehört, etwa ein Drittel der Befragten spielte selbst ein Instrument oder sang. Die stärksten positiven Effekte zeigten sich, wenn Musik nicht zur Ablenkung, sondern zur aktiven Entspannung gehört wurde. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Musikhören ein wirksames und kostengünstiges Mittel zur Stressbewältigung und zur Verbesserung des Wohlbefindens in Krisensituationen wie der Einschließung ist.
Ein Forscherteam um Tatsuya Daikoku von den Universitäten Tokio und Hiroshima hat nun untersucht, wie einzelne Akkordfolgen bestimmte emotionale Reaktionen auslösen und wo im Körper diese Empfindungen am stärksten spürbar sind. 527 Testpersonen hörten Sequenzen von vier Akkorden, die auf 890 Songs aus den US-Billboard-Charts basierten. Die Probanden gaben an, wo sie die Musik in ihrem Körper spürten und welche Emotionen sie dabei empfanden. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „iScience“ veröffentlicht. Bestimmte Akkordfolgen, wie sie häufig in der Popmusik verwendet werden, werden mit Aktivitäten in Bereichen wie der Amygdala und dem Hippocampus in Verbindung gebracht und als besonders angenehm empfunden. Vorhersehbare Melodien, die den Erwartungen der Zuhörer entsprachen, lösten Gefühle der Ruhe, Zufriedenheit, Nostalgie und Empathie aus. Diese wurden vor allem im Bauchraum empfunden. Überraschende, unerwartete Tonfolgen hingegen wurden vor allem im Herzbereich wahrgenommen und lösten Freude und ästhetische Wertschätzung aus. Starke Empfindungen im Kopf waren mit Angst und Verwirrung verbunden. Interozeption, die Wahrnehmung innerer Körperzustände durch das Gehirn, spielt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle.
Das Verständnis der komplexen Wechselwirkungen zwischen Musik und Körper könnte den Einsatz von Musik als Therapeutikum optimieren.
Text: Wolfram Wiegers
Bild: leonardo.ai für arztCME