Verletzungen und Erkrankungen an Handgelenk und Daumenstrahl – Anatomie und Diagnostik
Interessengebiete: Allgemeinmedizin und Innere Medizin, Chirurgie, Orthopädie, Rheumatologie
Erkrankungen und Verletzungen des Handgelenkes und der Hand zählen über die gesamte Lebensspanne hinweg zu den häufigsten Krankheitsbildern. Bei jüngeren Menschen sind es vor allem Sportverletzungen, die zu den Beschwerden führen. Ballsportarten, Inlineskaten, Mountainbiken oder Snowboarden sind hier besonders relevant. Sportarten wie Turnen, Mountainbiken, Rudern, Gewichtheben, Boxen, Bouldern oder Golf bergen zudem das Risiko für Überlastungssyndrome des Handgelenks. Eine Chronifizierung der Beschwerden ist möglich, so dass eine dauerhafte Überlastung von Knochen und Bändern zu einer Arthrose führen kann.
In höherem Lebensalter treten dann degenerative Gelenkveränderungen in den Vordergrund, die die Hand- und Daumensattelgelenke, aber auch die Handwurzel und die Hand betreffen. Beeinträchtigungen der Lebensqualität durch Schmerzen und zunehmenden Funktionsverlust sind häufig die Folge.
Diese CME gibt einen Überblick zu den anatomischen Grundlagen von Hand, Handgelenk und Daumenstrahl, stellt ausgewählte Krankheitsbilder der Hand und des Daumens dar und gibt Hinweise zur klinischen und bildgebenden Diagnostik.
Kursinhalt
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Erkrankungen und Verletzungen des Handgelenkes und der Hand gehören über die gesamte Lebensspanne hinweg zu den häufigsten Krankheitsbildern. Bei jungen Menschen sind meist Sportverletzungen die Ursache für Beschwerden, wie sie besonders bei Ballsportarten, Inlineskaten, Mountainbiken, Skateboarden, Skifahren, Snowboarden, Klettern und Kampfsportarten auftreten [1]. Hinzu kommen Überlastungssyndrome des Handgelenkes, vor allem in Sportarten wie Turnen, Mountainbiken, Rudern, Gewichtheben, Boxen, Bouldern oder Golf, bei denen große, repetitive Kräfte in unterschiedlicher oder extremer Position auf das Handgelenk und die Hand einwirken. Solche Beschwerden können zu chronischen Überlastungschäden und / oder Arthrose führen und dürfen deshalb nicht bagatellisiert werden [2]. In höherem Lebensalter treten dann degenerative Gelenkveränderungen in den Vordergrund, die die Hand- und Daumensattelgelenke aber auch die Handwurzel und das Handgelenk betreffen [3]. Dabei wird die Lebensqualität nicht nur durch die Schmerzen beeinträchtigt, sondern auch durch den zunehmenden meist arthrotisch bedingten Funktionsverlust.
Möchte man Verletzungen und degenerativ bedingte Störungen verstehen lernen, sie klinisch und bildgebend adäquat untersuchen und erkennen können, braucht es gute Kenntnisse der komplexen funktionellen Anatomie der Hand sowie des Handgelenks und deren Kinematik. Ziel des ersten Moduls dieses Fortbildungsbeitrags ist es daher, die anatomischen Grundlagen zu wiederholen, ausgewählte Krankheitsbilder der Hand und des Daumens darzustellen sowie Hinweise für die klinische und bildgebende Diagnostik zu geben
Funktionelle Anatomie
Das Handgelenk ist ein multiartikuläres System. Dessen Funktion ist abhängig von intakten Gelenkflächen, einem stabilen Bandapparat sowie den extrinsischen Handgelenk-, Fingerbeuge- und Strecksehnen.
Drei Säulen stabilisieren das Handgelenk (Drei-Säulen-Modell nach Rikli [4]):
- radiale Säule mit Processus styloideus radii und Fossa scaphoidea,
- intermediäre Säule mit Fossa lunata und dem radialen Teil des distalen Radioulnargelenks,
- ulnare Säule mit distaler Ulna und Discus articularis.
Für die Stabilität des Handgelenks sind alle drei Säulen hinsichtlich ossärer und ligamentärer Integrität essenziell [5].
Handwurzel-Skelett
Das Handgelenk besteht aus zwei Einzelgelenken, die eine funktionelle Einheit bilden: Proximal befindet sich die Articulatio radiocarpea zwischen dem distalen Ende des Radius und der proximalen Handwurzelknochenreihe, distal liegt die Articulatio mediocarpea zwischen der proximalen und distalen Reihe der Handwurzelknochen (Abb. 1). In der AP (anterior-posterior)-Ebene bildet die Gelenkfläche des Radius zur Radiusschaft-Achse einen radialen Neigungswinkel (radial tilt, radiale Inklination) von durchschnittlich 23° (15°-35°) mit Neigung nach ulnar (Abb. 2a). In der seitlichen Ansicht beträgt der palmare Neigungswinkel (palmar oder volar tilt, Palmare oder volare Inklination) der Radiusgelenkfläche etwa 11° (0-20°) (Abb. 2b) [6].
Abb. 2a: Bestimmung des radialen Neigungswinkels der Radiusgelenkfläche (modifiziert nach [17]). Der Punkt C liegt mittig der dorsalen und palmaren ulnaren Radiusecke. Der radiale Radiusgelenkflächenwinkel befindet sich zwischen den Punkten DCE. Der mittlere Wert ist 23° (Bereich von 15°-35°). Der Abstand der Punkte D und E entspricht der Höhe des Processus styloideus radii. Abb. 2b: Bestimmung des palmaren (volaren) Neigungswinkels der Radiusgelenkfläche modifiziert nach [17]
Das distale Ende von Radius und Ulna formen den Übergang in den Unterarm. Zu beachten ist, dass sich das relative Längenverhältnis von Ulna zu Radius durch die Umwendbewegung (Supination, Pronation) bei der radioulnaren Translation ändert: Bei der Pronation nimmt die Ulna eine distale Position zum Radius ein; bei der Supination eine proximale Position. Dies zu wissen, ist bei nichtstandardisierten Röntgen-Aufnahmetechniken wichtig, denn die veränderlichen Längenverhältnisse können Plus- und Minusvarianten der Ulna vortäuschen. In Neutralstellung beträgt das Längenverhältnis der Gelenkflächen von Radius zu Ulna ± 2 mm [6].
Proximales und distales Handgelenk
Das proximale Handgelenk ist zweiachsig: Die Articulatio radiocarpalis ist ein Eigelenk und ermöglicht einerseits die Palmar- und Dorsalflexion, andererseits die zum kleinen Finger gerichtete Ulnarabduktion und die zum Daumen gerichtete Radialabduktion. Die Radiuspfanne verbindet sich mit der proximalen Reihe der Handwurzelknochen, bestehend aus Kahnbein (Os scaphoideum), Mondbein (Os lunatum), die Ulnagelenkfläche korrespondiert mit dem Dreieckbein (Os triquetrum). Die proximalen Flächen dieser Handwurzelknochen bilden eine kontinuierliche Gelenkfläche mit zwei Konvexkrümmungen.
Das distale Handgelenk bildet zwischen den beiden Reihen der Handwurzelknochen einen leicht s-förmigen Gelenkspalt. Vom Daumen aus betrachtet, umfasst die distale Reihe der Handwurzelknochen das große und das kleine Vieleckbein (Os trapezium, Os trapezoideum), das Kopfbein (Os capitatum) und das Hakenbein (Os hamatum).
Stellt man sich die Reihe der Handwurzelknochen als unbeweglich vor, so setzt sich das distale Handgelenk aus einer radialen und einer ulnaren Hälfte zusammen. Die radiale Hälfte (Trapezium, Trapezoidem auf Basis des Skaphoid) stellt ein planes Gelenk dar. Dagegen ist die ulnare Hälfte (Capitatum und Hamatum auf der Konkavfläche von drei Elementen der proximalen Knochenreihe) ein Kondylengelenk [7]. Lichtmann et al [8] betrachten den Karpus funktionell als einen Ring. Die Bewegungen in einer derartigen Gelenkverbindung sind abhängig von der Elastizität der Bänder. Es handelt sich um Flexions- und Extensionsbewegungen, um Seitbewegungen und axiale Rotationen [7].
Interkarpalgelenke
Die gelenkigen Verbindungen der Handwurzelknochen, die Interkarpalgelenke (Articulationes intercarpales), sind wegen der zahlreichen versteifenden Bandzüge kaum beweglich. Dennoch ist die Handwurzel kein statischer Knochenbereich. Durch das Anspannen von Ligamenten und den Spielraum der Gelenke ergeben sich Bewegungsmöglichkeiten der Handwurzel [7]. Insbesondere die mediale Knochensäule, bestehend aus Lunatum und Capitatum sowie die radiale Knochensäule, bestehend aus Skaphoid, Trapezium und Trapezoideum, ist für die Funktionalität von Bedeutung (Abb. 3).
Die Form des Os lunatum bestimmt die Dynamik der medialen Knochensäule. Das Os lunatum ist palmar dicker und bauchiger als dorsal, wodurch die Statik der Handwurzel sehr empfindlich ist. Eine vom Os lunatum ausgehende Instabilität wirkt sich über das Os capitatum auf die gesamte Handwurzel aus [7]. Die Form und die Lage des Os scaphoideum bestimmen die Dynamik der radialen Knochensäule. Seitlich betrachtet sieht das Os scaphoideum nieren- oder bohnenförmig aus [7].
Distales Radioulnargelenk und Discus articularis
Das distale Radioulnargelenk (DRUG) bildet zusammen mit dem Discus articularis (Synonyme: triangulärer fibrocartilaginärer Komplex – TFCC, Dreieckplatte, Discus ulnocarpalis, Discus triangularis, Discus carpalis triangularis), mit einem komplexen Knorpel-Band-System sowie mit der Membrana interossea eine rotationsstabile Verbindung von Radius und Ulna sowie von Ulna und Handwurzel [9].
Der Discus articularis/TFCC – eine doppelkonkave Faserknorpelscheibe – entspringt am distalen ulna-seitigen Rand des Radius und zieht über die Gelenkfläche der distalen Ulna zum Processus styloideus ulnae sowie über weitere Bandverbindungen weiter an das Dreiecksbein, das Hakenbein und zur Basis des Metacarpale V. Funktionell ist der zweischichtig aufgebaute Diskus am Handgelenk vergleichbar mit einem Meniskus des Kniegelenks („Meniskus des Handgelenks“). Er ist in das Bandsystem des distalen Radioulnargelenks sowie weitere anatomische Strukturen integriert [9].
Die radioulnaren Bänder (Ligamentum radioulnare palmare et dorsale) ziehen vom palmaren Aspekt des Radius zur Ulna und bilden ein starres, stabilisierendes Ringsystem, welches fest mit dem Caput ulnae (ellenkopf) und dem Discus articularis ulnocarpalis (TFCC) verwachsen ist. Die faserknorpeligen Anteile dieses ulnokarpalen Komplexes puffern wie ein Trampolin Druck- und Scherkräfte, während die ligamentären Anteile stabilisierend auf das ulnocarpale Gelenkkompartiment, das DRUG und die Handwurzel wirken [10].
Bänder des Handgelenks
Die Bänder des Handgelenks festigen die Handwurzel in frontaler und sagittaler Ebene (Abb. 4). Zwischen den Unterarmknochen und den proximalen Handwurzelknochen wird diese Stabilität vermittelt durch
- ulnare und radiale Kollateralbänder (Lig. collaterale carpi ulnare, Lig. collaterale carpi radiale)
- palmare und dorsale Speichen-Hand-Bänder (Lig. radiocarpeum palmare und Lig. radiocarpeum dorsale),
- das Ellen-Hand-Band (Lig. ulnocarpale palmare).
Die extrinsischen Bänder an der Handwurzel befinden sich außerhalb des Gelenks und sind mit der Gelenkkapsel verwachsen. Die intrinsischen Bänder liegen innerhalb des Gelenks zwischen den einzelnen Handwurzelknochen. Wesentlich für die Gelenkstabilität sind die interkarpalen Bänder der proximalen Reihe der Handwurzelknochen [11].
Anatomie des Daumenstrahls
Die funktionell wesentliche Bedeutung des Daumens (Pollex) beruht auf seiner relativen Stellung zu den übrigen Fingern. Er ist essenziell für die Greiffunktion der Hand. Der Daumen besteht aus lediglich zwei Phalanxknochen, der Phalanx distalis und proximalis. Zusammen mit dem ersten Mittelhandknochen (Os metacarpale I), dem großem Vieleckbein (Os trapezium) und dem Kahnbein (Os scaphoideum) besteht der radiale Handstrahl somit aus insgesamt fünf Knochen (Abb. 5).
Für die vielseitigen Bewegungsmöglichkeiten des Daumens entscheidend ist das Daumensattelgelenk / Karpometakarpalgelenk (Articulatio carpometacarpalis pollicis, Daumenwurzelgelenk). Die elastische Kapsel des Daumensattelgelenks und seine Form (funktionelles Kugelgelenk mit zwei Krümmungsradien radioulnar und dorsopalmar) ermöglichen dreidimensionale, komplexe Rotationsbewegungen mit Oppositions, Ab- und Adduktion sowie Beugung und Streckung.
Das Daumengrundgelenk (Articulatio metacarpophalangealis pollicis / Articulatio metacarpophalangealis I) ist die gelenkige Verbindung zwischen dem erstem Mittelhandknochen (Os metacarpale I = Os metacarpale pollicis) und dem Fingergrundglied des Daumens (Phalanx proximalis ossis digiti I). Es handelt sich um ein Scharniergelenk.
3 Häufige Krankheitsbilder
Distale Radiusfraktur
Distale Radiusfrakturen gehören zu den häufigsten Knochenbrüchen des menschlichen Skeletts: sie machen etwa 25 % der Frakturen bei Kindern aus und etwa 18 % der Frakturen in der älteren Bevölkerung [12]. Die Inzidenz im Alter von über 35 Jahren beträgt bei den Frauen 0,37 % (368 pro 100.000) und bei den Männern 0,09 % (90 pro 100.000) [13]. Besonders häufig treten Radiusfrakturen bei älteren Menschen mit Osteoporose auf sowie bei sportlich aktiven jungen Menschen, vor allem beim Fußballspielen, Skifahren, Snowboarden, Skaten, Inlineskaten,Tanzen und Rugby [14]. Das Frakturrisiko wird außerdem durch das Geschlecht bestimmt. In den USA / Nordeuropa hat eine 50-jährige Frau ein lebenslanges Frakturrisiko des distalen Radius von ca. 15 %, ein Mann von ca. 2 % [13].
Die häufigste Ursache von Frakturen des distalen Radius ist ein Sturz auf die ausgestreckte Hand. Bei osteoporotischem Knochen reicht dafür bereits ein leichter Aufprall aus Standhöhe oder niedriger [14]. Bei jungen Menschen mit gesunden Knochen entsteht die Radiusfraktur oft infolge schwerer Traumata direkt am Knochen oder durch Kompressionsdruck von Kahn- oder Mondbein in Richtung des distalen Radius [15].
Es werden verschiedene Systeme zur Klassifikation angewendet. Oft wird zwischen distalen Radiusfrakturen nach Colles und Smith unterschieden. Bei Colles-Frakturen handelt es sich um dorsale Dislokationen des distalen Radiusfragmentes und bei Smith-Frakturen um palmare Dislokationen des distalen Radiusfragmentes [16].
Nach der AO-Klassifikation (Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen) werden bei Frakturen des distalen Bereichs von Radius und Ulna folgende Typen unterschieden:
- Typ A: extraartikuläre Frakturen,
- Typ B: teilweise intraartikuläre Frakturen,
- Typ C: vollständig intraartikuläre Frakturen.
Hinzu kommen diverse Untergruppen [17].
Skaphoidfraktur
Das Kahnbein ist der am häufigsten gebrochene Handwurzelknochen. Die Kahnbeinfraktur macht etwa 60-80 % der Karpalfrakturen aus, etwa jede zehnte Handfraktur betrifft das Kahnbein [18, 19, 20]. Betroffen sind vor allem sportlich aktive Männer zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, das Verhältnis betroffener Männer zu Frauen liegt bei 5:1. Vorsichtige Schätzungen gehen von einer Häufigkeit von 35 pro 250.000 pro Jahr oder 1 von 10.000 Erstuntersuchungen aus. Meist handelt es sich um eine Einzelverletzung, seltener um Kombinationen mit komplexen Handgelenks- und Handwurzelverletzungen oder Radiusfrakturen [5, 19]. Die wichtigste Komplikation ist die Pseudarthrose, die eine Handgelenksarthrose bis hin zum karpalen Kollaps zur Folge haben kann.
Skaphoidfrakturen treten häufig nach einem Fall auf die ausgestreckte Hand mit Überstreckung des Handgelenks oder auch mit direkter axialer Kompression auf [21, 22, 23] im Rahmen von Hochrasanztraumen. Etwa 65 % der Skaphoidfrakturen betreffen das mittlere Drittel des Kahnbeins, 15 % das proximale Drittel, 10 % das distalen Drittel und 8 % eine distal palmare Protuberanz [24].
Bis zu 50 % der Skaphoidfrakturen werden bei der Erstvorstellung nicht erkannt, weshalb eine rasche Weiterleitung in die fachärztliche Diagnostik bei Verdacht essentiell und von besonderer Bedeutung ist. Hinweisend auf einen Kahnbeinbruch ist neben einer Schwellung über der radialen Handgelenksäule mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung des Handgelenkes der Druckschmerz über der Tabatière (Snuffbox).
Für ein differenziertes Therapiekonzept bedarf es neben der suffizienten Diagnostik einer Klassifikation der Kahnbeinbrüche. In Anlehnung an die von Herbert empfohlene Einteilung werden Skapoidfrakturen zunächst in stabil (hohes Heilungspotenzial) und instabil (niedriges Heilungspotenzial) klassifiziert.
Heilt eine Skaphoidfraktur nicht innerhalb von sechs Monaten knöchern aus, wird von einer Skaphoidpseudarthrose gesprochen. Diese entwickelt sich vor allem dann, wenn Skaphoidfrakturen übersehen worden oder nicht adäquat behandelt worden sind. Doch auch bei korrekter fachärztlicher Behandlung kann es zu einer Pseudarthrose des Kahnbeins kommen. Vor allem Frakturen am proximalen Pol benötigen aufgrund der kritischen Durchblutungssituation vergleichsweise lange Heilungszeiten, auch steile Frakturverläufe führen gehäuft zur Skaphoidpseudarthrose [25]. Hinweisgebend sind oben angeführte Symptome.
Grob unterscheiden lassen sich straffe Pseudarthrosen des Kahnbeins mit fibröser Überbrückung und ohne Anzeichen einer Arthrose oder eines karpalen Kollaps sowie mobile Pseudarthrosen mit zunächst diskreter, später deutlicher Kahnbeindeformierung, manifester Arthrose sowie letztlich nekrotischem Zerfall des proximalen Fragments und fixiertem karpalen Kollaps [5]. Pseudarthrosen werden nach der Klassifikation von Herbert und Filan [26] in vier Pseudarthrosetypen unterteilt (Abb. 6).
Bandläsionen und TFCC-Verletzungen
Generell prädisponieren Bandschäden für Handgelenksinstabilitäten. Für die Praxis wichtig sind vor allem skapholunäre (SL) Bandläsionen. Dazu kann es leicht bei distalen intraartikulären Radiusfrakturen kommen wie auch bei Stürzen auf das gestreckte Handgelenk. Die häufigste Verletzung ist die Ruptur oder Teilruptur des SL-Bands, auch die Elongation kommt vor.
Das Mondbein hat die Tendenz, durch eine Palmarbewegung nach dorsal zu rotieren, wobei das Kahnbein in Flexion kippt [27] (Abb. 7). Auf Dauer können die Knochen der Fehlbelastung nicht standhalten und es treten ausgedehnten Knorpelschäden auf, die letztlich zum karpalen Kollaps (SLAC-Wrist, s. a. 3.4) führen. Bereits drei Monate nach einer SL-Bandruptur lassen sich erste arthrotische Veränderungen erkennen [11].
Treten Schmerzen im Bereich des ulnaren Handgelenks auf, können diese aus dem ulnokarpalen Komplex (Discus articularis/TFCC) oder aus dem distalen Radioulnargelenk (DRUG) herrühren oder auch von Läsionen des ulnaren Karpus sowie des M. extensor carpi ulnaris [5, 28].
Im ulnokarpalen Gelenk besteht z. B. eine Enge zwischen Handwurzel und Ulna oder es bestehen ligamentäre Einrisse mit Instabilität des TFCC. Läsionen des TFCC können degenerativ oder traumatisch bedingt sein, letzteres z.B. mit Rissen im radialseitigen Diskusabschnitt, mit Abrissen des Diskus vom Processus styloideus ulnae oder der Incisura ulnaris radii oder auch bei Rupturen des Lig. ulnolunatum bzw. Lig. ulnotriquetrum. Es lassen sich vier Hauptmechanismen für eine TFCC-Verletzung unterscheiden:
- Kompressionstrauma durch Stoß entlang des Unterarms: die proximale Handwurzel wird gegen den TFCC gedrückt;
- übermäßige Zug- und Druckbelastung bei Fehlstellungen des distalen Unterarms (z. B. Längendifferenz Radius / Ulna infolge einer verheilten Fraktur);
- starke Zugbeanspruchung bei Handgelenksfrakturen mit Verschiebung der knöchernen Ansatzpunkte des TFCC, Folge können Risse im mittleren radialen oder ulnaren Bereich sein;
- forciertes Hypersupinationstrauma mit Zerreißen des Lig. radiounlare und Abreißen des TFCC vom Radius und / oder vom Ligament [9].
Zu den degenerativen Läsionen des TFCC gehören die mukoidzystische Degeneration des Diskus bis hin zur zentralen Perforation mit fortgeschrittener Knorpelschädigung, Arthrose und lunotriquetraler Bandläsion [10].
Zur Ruptur des ulnaren Seitenbandes am Daumengrundgelenk siehe 3.6
Handgelenksarthrose
Die Osteoarthrose ist weltweit die häufigste Gelenkerkrankung. Eine Studie aus Schweden zeigte eine klinisch signifikante Osteoarthrose bei 8,5 % der Personen im Alter von 50 bis 70 Jahren [29]. Das Handgelenk gehört dabei zu den häufig betroffenen Gelenken [30]. Ursächlich sind meist Veränderungen des Gelenkknorpels durch frühere Verletzungen oder aseptische Nekrosen von Karpalknochen. Allerdings ist die Datenlage in diesem Punkt dürftig. Es existieren kaum relevante Publikationen zu Knorpeltraumata. In wenigen Serien bei Patienten, bei denen eine Handgelenksarthroskopie vorgenommen worden war, fanden sich bei 17-32 % Knorpelschäden, die sich auf vorangegangene Frakturen oder Bandschäden zurückführen ließen [31]. In der klinischen Praxis werden ligamentäre Verletzungen erfahrungsgemäß oft zunächst als Verstauchungen angesehen – sowohl von Seiten der Patienten als auch von Ärzten, teils wird das vorangegangene Trauma nicht mehr erinnert. Das macht es schwer, später auftretende arthrotische Veränderungen mit einem Trauma in Verbindung zu bringen.
Einen großen Anteil der Knorpeldestruktionen machen jedoch primäre Arthrosen aus, deren Ursachen wir nicht exakt aufzeigen können. Da das Handgelenk kein gewichtstragendes Gelenk ist, leiden nicht alle Patienten nach Knorpelschäden an Beschwerden, selbst bei bereits bestehender Handgelenksarthrose [31].
Aus Untersuchungen bei professionellen Cricket-Spielern geht hervor, dass womöglich Überlastung und repetitive Mikrotraumata für die Entwicklung einer Handgelenksarthrose bedeutsam sein könnten [32]. Hinzu kommt, dass besonders initial die Diagnose von Knorpelschäden im Handgelenk schwierig ist [31].
Unbehandelt führt die Handgelenksarthrose zur Zerstörung der Handwurzel und damit zum Funktionsverlust. Die schwerste Form der arthrotisch geschädigten Handwurzel ist der karpale Kollaps mit zunehmender Vergrößerung des skapholunären Spaltes, fortschreitender Destruktion des proximalen Skaphoidpols und dem Ausweichen des Lunatums nach ulnar bei gleichzeitiger Proximalisierung des Kapitatumkopfes [11].
Je nach Ursache wird beim karpalem Kollaps unterschieden zwischen SLAC-Wrist (scapho-lunate advanced collapse), dem eine Schädigung des Bandapparates zwischen Skaphoid und Lunatum zugrunde liegt, und SNAC-Wrist (scaphoid nonunion advanced collapse), wofür eine nicht versorgte Fraktur des Kahnbeins ursächlich ist. Therapeutisch sind jeweils drei Schweregrade relevant.
Eine Sonderform der Handgelenksarthrose ist die Arthrose des distalen Radio-Ulnargelenks.
Lunatummalazie
Die teilweise oder vollständige Nekrose des Mondbeins (Lunatummalazie, Morbus Kienböck) betrifft üblicherweise die dominante Hand, Männer erkranken etwa doppelt so häufig wie Frauen bei einem Altersgipfel zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr [33]. Das scheint mit Gefäßschäden im Zusammenhang zu stehen, andererseits werden repetitive Vibrationstraumata, etwa der Umgang mit Druckluftwerkzeugen, angeschuldigt. Als prädisponierend gilt die Minusvariante der Ulna.
Die Patienten klagen über Belastungsschmerzen sowie Bewegungseinschränkungen des Handgelenks, später verbunden mit regionaler Schwellung und Kraftminderung. In der Spätphase finden sich alle Symptome einer deformierenden Handgelenksarthrose [11]. Wird eine adäquate Behandlung versäumt, droht die Auflösung des Mondbeins mit karpalem Kollaps und vollständigem Funktionsverlust der Handwurzel.
Erkrankungen des Daumens
Hierzu zählen in erster Linie die Rhizarthrose (Arthrose des Daumensattelgelenks) sowie als Verletzung die ulnare Seitenbandruptur am Daumengrundgelenk („Ski-Daumen“).
Die Rhizarthrose ist meist idiopathisch und die häufigste Arthrose im Bereich der Hand. Sie betrifft besonders Frauen ab Beginn der Wechseljahre [34]. Sie tritt im Allgemeinen bilateral auf mit Betonung der dominanten Hand. Die Schmerzen sind individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt und korrelieren nicht zwangsläufig mit dem radiologischen Befund. Teils bestehen Ruheschmerzen, teils sind die Beschwerden wetterabhängig, starke Beanspruchung verstärkt die Symptomatik. Differenzialdiagnostisch sollte auch an ein Karpaltunnelsyndrom gedacht werden, wobei die Rizarthrose eine (neurogene) Thenaratrophie vortäuschen kann [35]. Im Endstadium einer Rizarthrose ist der Daumen M-förmig deformiert (Pollex adductus). Klassifiziert wird die Rizarthrose häufig nach Eaton und Littler, basierend auf streng seitlichen Röntgenaufnahmen, zentriert auf das Trapezium mit übereinander projizierten Ossa sesamoidea:
Stadium I: normale Gelenkstellung, ggf. Gelenkspalterweiterung;
Stadium II: Gelenkspaltverschmälerung, Osteophyten, freie Gelenkkörper < 2 mm;
Stadium III: progrediente Gelenkspaltverschmälerung, Osteophyten, freie Gelenkkörper > 2 mm;
Stadium IV: deutliche Fehlstellung, zusätzlich Arthrose des Skaphotrapezoidal-Gelenks [36].
Die Ruptur des ulnaren Seitenbands am Daumengrundgelenk geschieht häufig bei Ski-Unfällen bei Sturz auf den Griff des Skistocks mit Abduktion des Daumens nach radial. Daher der Name „Ski-Daumen“. Selbstverständlich ist dieser Unfallmechanismus auch bei anderen Sportarten möglich, etwa bei Sturz auf den gestreckten Daumen – gehäuft bei Ballsportarten. Die Folge sind Schwellung und lokaler Druckschmerz, das Daumengrundgelenk lässt sich ulnarseitig aufklappen [1]. Eine unzureichende Versorgung der Verletzung hat die Instabilität im Daumengrundgelenk mit dem Risiko einer frühzeitigen Arthrose zur Folge.
Exkurs: Überlastungsschäden durch intensive Smartphone-Nutzung
Seit verbreiteter Nutzung von Smartphones werden in der klinischen Praxis zunehmend Daumen- und Handgelenksbeschwerden beobachtet, die offenbar mit den hoch repetitiven Bewegungsabläufen bei Gebrauch zusammenhängen. So konnte in Studien ein direkter Zusammenhang zwischen problematischem Smartphone-Gebrauch und schmerzhafter Tendovaginitis im ersten Strecksehnenfach (Tendovaginitis stenosans de Quervain) nachgewiesen werden. Die Daumen werden dabei vor allem von Teenagern und jungen Erwachsenen sowohl beim Gaming als auch für das Schreiben von Textnachrichten intensiv beansprucht [37-40].
Klinische Untersuchungen
Anamnese (z. B. Alter, Beruf, Freizeitaktivitäten, aktuelles oder früheres Trauma, Operationen), Inspektion (z. B. Schwellung, Deformierung), Palpation und Funktionsprüfung geben erste Hinweise, die zu weiteren Untersuchungen führen. Tabelle 1 gibt einen Überblick zu speziellen Testverfahren zur Differenzialdiagnostik von Beschwerden im Handgelenk und Daumengrundgelenk. In Zukunft könnten mit am Handgelenk und der Hand tragbaren Sensoren und 3D-Bewegungsanalysen das bislang limitierte Wissen zu Bewegungen und Belastungen dieser für den Alltag so wichtigen Körperteile erweitert und womöglich die Diagnostik ergänzt werden [41-43].
Bildgebende Diagnostik
Die bildgebende Diagnostik umfasst Röntgen (auch Funktions-Belastungsaufnahmen, dynamisch-funktionelle Bewegungsanalyse radiologisch), Sonographie, Computertomographie (CT) oder Kernspintomographie (MRT). Wird über diesen Weg keine zuverlässige Diagnose gestellt, ist eine Arthroskopie des Handgelenks sinnvoll. Mit ihrer Hilfe erhält der Untersuchende Informationen zum Zustand der interkarpalen Gelenkflächen und Bänder.
Die Kegelstrahl (Cone-beam)-Computertomographie (CBCT) ist ein relativ neues schnittbildgebendes Verfahren, dass bei okkulten radiokarpalen Frakturen eine hohe Sensitivität und Spezifität aufweist bei zugleich geringer Strahlenbelastung und kurzer Akquisitionszeit. Die CBCT wird damit künftig wahrscheinlich eine zunehmende Rolle im Diagnostikalgorithmus spielen [45].
Frakturen
Bei Verdacht auf Radiusfraktur erfolgen Standardröntgenaufnahmen in den Ebenen anterior-posterior, lateral sowie in querer Ansicht. Auf anatomische Abweichungen sowie das Vorhandensein und das Ausmaß der Beteiligung von radiokarpalen und distal-radioulnaren Gelenken sowie jegliche Hochrisiko-Charakteristika ist zu achten. Eine abnorme radiale Inklination, radiale Höhe, palmare Neigung oder ulnare Varianz sind Anzeichen für eine Verletzung [14]. Komplexe distale Radiusfrakturen sowie isolierte karpale Verletzungen müssen zusätzlich via CT untersucht werden [10].
Bei Verdacht auf eine Skaphoidfraktur sollten Röntgenaufnahmen erfolgen (posterior-anterior, lateral, Skaphoid-Ansichten). Anhand von ebenen Röntgenaufnahmen sind Skaphoidfrakturen nur begrenzt zu erkennen [21]. Bei Unklarheiten können CT oder MRT mit Aufnahmen entlang der Längsachse zur Bestimmung der Dislokation nützlich sein [21, 46].
Bandverletzungen
Eine SL-Bandinstabilität wird erst durch eine Reihe von diagnostischen Verfahren gesichert. Neben dem Watson-Test (s. Tabelle 1) sind das Röntgen im Seitenvergleich, die Aufnahme nach Moneim sowie Stressaufnahmen der Handwurzel die diagnostische Basis. Die MRT und gegebenenfalls dynamisch-funktionelle Bildwandleruntersuchungen mit Videoanalyse sowie vor allem die Arthroskopie vervollständigen die Untersuchungen [11].
Bei Verdacht auf eine Seitenbandruptur des Daumens dient die primäre Röntgendiagnostik dem Ausschluss einer knöchernen Läsion, erst danach folgt die klinisch-funktionelle Untersuchung. Ähnlich verhält es sich bei Rupturen der ulnaren und radialen Kollateralbänder.
Zur Diagnostik von TFCC-Läsionen ist die MRT das bildgebende Verfahren der Wahl. Die Befunde müssen in Zusammenschau mit den klinischen Untersuchungsergebnissen interpretiert werden. Zum Teil wird die MR-Arthrographie favorisiert [6]. Bei Diskrepanz zwischen klinischem und MRT-Befund ist die Arthroskopie angezeigt [9, 47]. Außer der Betrachtung vom distalen Radioulnargelenk aus über den dorsoradialen Zugang wird auch empfohlen, die Discus-Unterseite durch Punktion des Gelenks von dorsal und volar zu untersuchen, wenn entsprechende klinische Hinweise vorliegen. Bei der Schadensanalyse ist bei der Arthroskopie zur funktionellen Untersuchung ein Tasthaken notwendig [9].
Handgelenksarthrose
Die Röntgenaufnahme des betroffenen Handgelenks in zwei Ebenen stellt die Grundlage in der bildgebenden Diagnostik der Arthrose dar. Werden Bandläsionen vermutet, sind funktionelle Aufnahmen im direkten Vergleich mit der nicht betroffenen Hand nötig. Röntgenzeichen der Arthrosis deformans sind die vermehrte subchondrale Sklerosierung, osteophytäre Knochenausziehungen, radiologische Gelenkspaltverschmälerung, subchondrale Geröllzysten und die Gelenkdestruktion [11].
Zum Nachweis der Skaphoidpseudarthrose sind in der Regel Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen ausreichend. Sobald sich verdächtige Läsionen zeigen, folgen zusätzliche Schrägaufnahmen (Skaphoidquartett) oder ein Schnittbildverfahren. Die Vitalität des proximalen Kahnbeinpols lässt sich per kontrastmittelverstärkter MRT darstellen.
Zu beachten ist, dass das Anfangsstadium einer Lunatummalazie im konventionellen Röntgenbild nicht sichtbar ist. Besteht der klinische Verdacht auf eine beginnende Lunatummalazie, steht zusätzlich die MRT mit Gadolinium zur Verfügung. Zur Stadieneinteilung und zur Beurteilung der karpalen Gelenkverhältnisse werden sowohl die CT wie die MRT genutzt [48].
Auch die Diagnose einer Rhizarthrose wird aufgrund klinischer Tests gestellt und meist durch eine Röntgenaufnahme gesichert.
Insgesamt ermöglicht die MRT bei Verdacht auf Handgelenksarthrose vor allem die Differenzialdiagnostik und hilft bei der Abgrenzung anderer Handgelenksverletzungen. Mit der Handgelenksarthroskopie kann der Zustand der Gelenkknorpel in der Belastungszone visualisiert werden. Gelenkerhaltende Eingriffe können zudem geplant werden.
Fazit
Häufig sind es Sportverletzungen oder berufliche Überlastungen, die Beschwerden und Läsionen der Hand, der Handgelenke und der Daumen verursachen. Hinzu kommen mit zunehmendem Lebensalter degenerative Veränderungen im Sinne von Arthrosen sowie geschlechtsspezifische
Verletzungsmuster. Die damit einhergehenden Schmerzen und Funktionseinschränkungen bedürfen einer genauen klinischen Untersuchung mittels spezifischer Tests bei Kenntnis der Handanatomie, ergänzt um die adäquate Röntgenbildgebung sowie gegebenenfalls Schnittbildverfahren und Arthroskopie, u. a. zur Klassifikation der Verletzungen. Die stufenweise Diagnostik ermöglicht eine stadiengerechte Behandlung.
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