Big Data und Künstliche Intelligenz haben das Zeug dazu, das Gesundheitswesen besser und effizienter zu machen. Sie haben aber auch das Potenzial, die Privatsphäre der Versicherten auszuhebeln. Die verschiedenen Aspekte wurden vorletzte Woche beim aktuellen Goslar Diskurs – einem ThinkTank der Versicherungswirtschaft – diskutiert. Thema: „Big Data: Bürgerschreck oder Hoffnungsträger?“
In einer gleichnamigen Untersuchung kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die Chancen durch die Auswertung von Daten aktuell völlig von der Angst vor Missbrauch überlagert werden. Kurios erscheint ihnen vor allem, dass die Menschen sich zwar vor Überwachung durch den Big Brother fürchten, sich gleichzeitig jedoch Alexa ins Wohnzimmer oder eine Smart-Watch am Handgelenk tragen. Sie fordern daher, „… dass ein souveräner Bürger die Schizophrenie zwischen übertriebener Angst auf der einen Seite und völliger Sorglosigkeit auf der anderen Seite hinter sich lässt.“
Auch Thilo Weichert von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz plädierte dafür, das Entwicklungspotenzial von Big Data im Gesundheitsbereich auszuschöpfen. Doch er warnt auch vor den Gefahren – nicht nur für den Einzelnen, sondern für die Demokratie. Und führt das Beispiel China an, wo die Regierung die Einführung eines sogenannten Social-Credit-Systems plant, welches das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger überwachen und umfassend bewerten soll.
Wie ein demokratietaugliches Konzept für das deutsche Gesundheitswesen aussehen könnte, ist bislang völlig unklar, die gesellschaftliche Diskussion kommt aber in Gang. So veranstaltete die DGIM (Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin) letzten Donnerstag eine Pressekonferenz in Berlin zum Thema, die der Vorsitzende Prof. Vogelmeier mit den Worten eröffnete: „Kein Teilbereich der Medizin wird von der Digitalisierung verschont bleiben“. Ein Schwerpunkt beim Internisten-Kongress Anfang Mai in Wiesbaden soll dem Ausdruck verleihen. Wir werden berichten.
Dass es durchaus Kompromisse zwischen Überwachung und Datentransparenz geben kann, zeigen z.B. die Telematiktarife der Kfz-Versicherer. Hier werden als Gegenleistung für Mobilitätsdaten finanzielle Nachlässe und Rabatte gewährt, letztendlich verfügt aber nach wie vor der Kunde selbst über seine Daten.