Peter Schaar ist eine Institution des Datenschutzes. Als Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) hat er zwischen 2003 und 2013 zehn Jahre Missstände in der Informationsverarbeitung aufgedeckt. Seit 2016 leitet er die Schlichtungsstelle der gematik. Schaar ist ein Insider, der sämtliche Facetten der Branche kennt.
In seinem aktuellen Buch hat er sich die Telematikinfrastruktur vorgenommen und schon die Kapitelüberschriften lesen sich wie die Chronologie eines Desasters: Der lange Weg zur Gesundheitskarte, Selbstverwaltung – Selbstblockade?, Von der eCard-Strategie zur TI 2.0. Und im Vorwort ergänzt Schaar: „Ich habe darauf verzichtet, die jüngsten Diskussionen im Detail nachzuvollziehen.“
Warum sollte er auch? Der immer weiter verschobene Start des E-Rezeptes und das Konnektor-Chaos bestätigen nur, was Schaar an Informationen aus den letzten 20 Jahre zusammen getragen hat: Jeder für sich und alle gegen alle. Und man mag kaum glauben, dass es schon 20 Jahre her ist, dass die Digitalisierung mit dem Planungsauftrag von Ulla Schmidt 2003 ihren Lauf nahm. Das war eine Zeit, in der es weder Smartphones noch Cloud-Computing gab. Ein Teil des Desasters besteht ja auch darin, dass man an manchen Ideen von damals noch immer festhält – obwohl die Realität sich dramatisch verändert hat.
Erfreulicherweise entwickelt Schaar zum Schluss auch Lösungsansätze, wie man das völlig vermurkste Projekt doch noch retten könnte. Und denkt dabei europäisch. Man kann nur hoffen, dass der eine oder andere Politiker das Buch liest. Denn auf diese Lösung wird die deutsche Selbstverwaltung auch in den nächsten 20 Jahren noch nicht kommen.
Peter Schaar. Diagnose Digital-Desaster: Ist das Gesundheitswesen noch zu retten? Hirzel-Verlag 2023; Kindle Ausgabe 21,90 Euro