Beim Deutschen Krebskongress 2024 steht das Motto dieses Blogs in Vordergrund: Die Zukunft der Medizinischen Information.
Heute startet in Berlin der DKK 2024 – der Deutsche Krebskongress – mit mehr als 12 000 Teilnehmern. Das Kongressmotto heißt „Fortschritt gemeinsam gestalten“ und darunter kann man sich, wie für Mottos fast üblich, alles oder gar nichts vorstellen. Schon bei der Eröffnungsveranstaltung wurde aber klar, was gemeint ist. Es geht um den herausragenden Stellenwert der medizinischen Informationen quer über Forscher, Versorger, Zahler, Patienten. Warum? Weil die alten Gewissheiten in der Onkologie neuen Fragen gewichen sind.
Die gewohnten Klassifikationen der einzelnen Tumorentitiäten basierten auf klinischen, radiologischen und vor allem histologischen Daten. Das hat 50 Jahre lang geholfen, etwas Ordnung in das Chaos zu bringen. In den letzten 10 Jahren hat man aber gelernt, dass dieses Raster nur für einen Prozentsatz der Indikationen wirklich zutrifft. In einigen Fällen ist die alte Klassifikation deshalb auch schon durch eine neue, molekular basierte Klassifikation ersetzt worden – etwa beim Lungen- oder beim Mammakarzinom.
Das führt zu personalisierten Therapien. Sie sind so individualisiert auf einzelne Krebsbetroffene zugeschnitten, dass es nur sehr kleine Studiengruppen und somit wenig Evidenz zum Einsatz gibt. Die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) schafft deshalb aktuell Strukturen, die dieses Wissen bündeln: Zentren für Personalisierte Medizin (ZPM). Diese Zentren haben ein hochspezialisiertes Molekulares Tumorboard, bestehend aus Bioinformatik, Molekularbiologie, Pathologie, Humangenetik und natürlich Experten aus Innerer Medizin und der jeweilen Tumorerkrankung.
Die Zentren sind in einem Netzwerk verbunden und profitieren so untereinander vom Wissen über den Einsatz einer Therapie. Therapien werden dabei häufig off-label eingesetzt – also außerhalb der Zulassung. Weil man zum Beispiel gelernt hat, dass bestimmte Formen eines Darmkrebses gut auf ein Medikament ansprechen, das nur eine Zulassung beim Mammakarzinom hat.
Voraussetzung für personalisierte Therapien ist die pathologische Diagnostik, die sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt hat – auch durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI). Und hier kommt dann das „Swarm Learning“ ins Spiel. Dabei können Algorithmen Datensätze an verschiedenen Standorten durchforsten und so mit riesigen Datenmengen trainieren – wie im ZPM-Netzwerk.
Eine Variante des Swarm Learning ist das Federated Learning. Hier wird der Austausch über eine zentrale Stelle koordiniert und man darf davon ausgehen, dass über kurz oder lang das gesammelte Wissen der Zentren für Personalisierte Medizin auf diese Art zusammengeführt werden kann. Und so auch bei seltenen Krebsformen für ausreichend Evidenz für eine erfolgreiche Behandlung der Patienten sorgt.
(Autor: Reinhard Merz)
(Bild: Erstellt von Midjourney, bearbeitet von arztCME)