Wir haben schon öfter über das ungeheure Potenzial von lernenden Computern in der Medizin berichtet – nicht umsonst heißt unser Blog ja Medical Learning. Und wenn Computer erst einmal gelernt haben, mit einem bestimmten Problem umzugehen, können sie das beliebig oft wiederholen, 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche.
Bislang ist die klinische Anwendung oft daran gescheitert, dass es in der Medizin meistens keine klaren ja/nein-Entscheidungen gibt, sondern dass extrem viele Parameter in eine Entscheidung einfließen müssen. Nehmen wir das Beispiel Herzinfarkt: Therapeutisch kommen Ballon, Stent oder koronarer Bypass infrage, so oder so muss der Eingriff aber möglichst schnell erfolgen. Deshalb kann eine schnelle und zuverlässige Diagnose Leben retten. Die Interpretation der Daten aus den 12 Elektroden eines Standard-EKG ist aber alles andere als trivial und so werden Anzeichen für einen Herzinfarkt auch in Notaufnahmen oft übersehen.
Neuronale Netze haben ihre Stärken in der Mustererkennung – sie werden etwa von Behörden bei der automatischen Gesichtserkennung auf Flughäfen und Bahnhöfen eingesetzt. Schon länger besteht großes Interesse daran, diese Techniken auf medizinische Daten anzuwenden, bei denen es ebenfalls um Mustererkennung geht. Und jetzt haben das Fraunhofer-Institut in Berlin und das Uniklinikum Schleswig-Holstein in Kiel ein neuronales Netz entwickelt, das Anzeichen für einen Herzinfarkt erkennt.
Aktuell ist der verwendete Datensatz noch relativ klein (148 Fälle) und das Erstellen von größeren Sammlungen zeitaufwendig. Aber das neue System ist nach Angaben der Entwickler schon jetzt so zuverlässig wie trainierte Kardiologen, wenn es darum geht, drohende Herzinfarkte mithilfe des EKG zu erkennen. Darüber hinaus ist der Ansatz auf jedes Zeitreihen-Klassifikationsproblem anwendbar, von denen es in der Medizin reichlich gibt. Wir werden uns also schnell daran gewöhnen müssen, dass bald Kollege Computer die Grundlage für Entscheidungen im Notfall liefert.