Die Pharmaindustrie gilt nicht gerade als Vorreiter, was die Integration von neuen Prozessen abseits neuer Medikamente angeht. Aus gutem Grund: Die Rendite ist nach wie vor gut und das Umfeld stark reguliert – viel Spielraum bleibt da nicht. Wenn also schon Big Pharma sich jetzt mit dem digitalen Wandel beschäftigt, ist das ein untrügliches Zeichen dafür, dass Bewegung in eine Sache gekommen ist.
Die forschenden Unternehmen sehen Potenzial vor allem in der klinischen Arzneimittelentwicklung, die Unsummen verschlingt. So hat Bayer jüngst eine Pilotstudie mit Herzinsuffizienz-Patienten angekündigt die evaluieren soll, wie klinische Studien mit Wearables und anderen digitalen Anwendungen optimiert werden können. Den Patienten aus Deutschland, Italien und den USA wird dabei ein kardiales Sensorpflaster aufgeklebt, das rund um die Uhr Daten erhebt. Ein Gürtel misst körperliche Aktivität und Energieverbrauch und der Patient hält seine subjektive Befindlichkeit auf einem Tablet fest.
Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren verstärken: Über Smartwatches und Smartphones werden immer mehr Daten erfasst – und das in Echtzeit. So könnten die Ergebnisse schneller und genauer analysiert werden und den Prozess der Zulassung neuer Medikamente beschleunigen. Theoretisch zumindest.
Denn praktisch gibt es hohe Hürden, und das nicht nur bei der Datensicherheit. Die Arbeitsgemeinschaft der Universitätskliniken in Deutschland hat es in ihrem Faktenblatt (Link) so formuliert: „Digitalisierung in der Medizin braucht Patientendaten. Die entstehen insbesondere in den Krankenhäusern, liegen dort aber oft noch nicht digital oder strukturiert vor. …. gematik und Medizininformatik-Initiative (MI-I) verfolgen das gleiche Ziel, die Daten aus den Silos zusammenzuführen. Aktuell findet zwischen den Initiativen aber keine Koordination statt …“
Was im Klartext heißt: Solange das Thema einer forschungskompatiblen elektronischen Patientenakte (ePA) nicht gelöst ist, werden alle Ansätze für Studien weiterhin Einzelprojekte bleiben – mit entsprechend überschaubarem Nutzen bei hohem Aufwand.