Die Patientenakte entwickelt sich immer mehr zum Dauerbrenner – nicht nur beim BMG und der Selbstverwaltung, sondern auch hier im Blog. Vor rund sechs Wochen hatten wir vom Start der Gesundheitsakte Vivy berichtet, auf die etwa 13,5 Millionen Versicherte von privaten und gesetzlichen Kassen zugreifen können (Link). Und schon ist es Zeit für ein Update … leider eins, der weniger erfreulichen Art.
Bereits eine Kurzuntersuchung der App nach dem Marktstart zeigte, dass Trackingdaten über die Nutzung des Programms ins Ausland gesendet werden, etwa nach Kalifornien und Singapur. Gegenüber den Medien beschwichtigte der Hersteller damit, dass Tracking zur Verbesserung der Usability nötig sei und sensible Daten nur verschlüsselt auf deutschen Servern gespeichert würden.
IT-Medien berichten in der Zwischenzeit allerdings auch über schwerwiegende Sicherheitsmängel bei der Server-Infrastruktur. Das ist besonders peinlich, weil die Vivy-Macher seit dem Start ihrer App lautstark mit deren Sicherheit Werbung machen. Und die beteiligten Krankenversicherungen – darunter Schwergewichte wie die DAK Gesundheit – verlassen sich mangels eigener Expertise auf solche Dienstleister. Während der Anbieter versichert, alles im Griff zu haben, kommentiert die Online-Plattform netzpolitik.org süffisant: „Nutzer sollten nicht von mehr Privatsphäre als im Wartezimmer oder der Straße vor der Praxis ausgehen.“
Man könnte sich über diese Stümpereien fast totlachen, wäre die Sache nicht so ernst. Denn letztlich sind die Pannen nicht nur für Patienten ärgerlich, die weiter auf eine funktionierende Akte mit ihren unbestrittenen Vorteilen warten müssen. Sondern auch für den Wissenschafts- und Studienstandort Deutschland. Denn während man hier noch verzweifelt versucht, der Basis-Technik Herr zu werden, ist Dänemark zur Topadresse für Big Data-Studien geworden – etwa zur individualisierten Onkologie oder zu seltenen Erkrankungen. Mit einer zentralen Patientenakte und einem anonymisierten Register unter staatlicher Hoheit (sundhed.dk) werden hier viele der Daten generiert, die Grundlage von Top-Veröffentlichungen in Nature oder dem New England Journal of Medicine sind.
Was also tun? Lernen von den Dänen? Fehlanzeige. Lieber machen Kassen, KVen und private Anbieter weiter so und erfinden das Rad noch einmal neu. Und riskieren dabei, dass der Forschungsstandort Deutschland international genauso an Boden verliert, wie die deutsche Fußball-Nationalmannschaft …