Bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen ist es ähnlich wie bei den Twitter-Beiträgen des US-Präsidenten: Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man herzlich lachen. Neuestes Beispiel ist die Videosprechstunde, die zum 1. Juli 2017 in den EBM aufgenommen werden soll.
Glaubt man dem Beschlussentwurf, aus dem die Ärzte Zeitung zitiert, dann soll für die Videosprechstunde ein Punktzahlvolumen je Arztpraxis von 2393 Punkten im Quartal möglich sein. Bei 137 Punkten, so der Entwurf, könnte die Videosprechstunde exakt 17,5 Mal erbracht werden – im Quartal wohlgemerkt. Der Bundesverband Internetmedizin hat berechnet, dass so jährlich in Deutschland etwas mehr als 5 Millionen vergütete Videosprechstunden durchgeführt werden könnten.
Angesichts von jährlich ca. 600 Millionen Arztkontakten dürfte ein Patient jeden hundertsten Arztkontakt online durchführen und hätte bei durchschnittlich 9 Arztkontakten je Jahr statistisch gesehen ca. alle 11 Jahre die Möglichkeit einer Online-Videosprechstunde. Dabei hat eine repräsentative Umfrage der Bertelsmann-Stiftung gezeigt, dass jeder zweite Patient die Online-Videosprechstunde nutzen würde.
Weiter an der Realität vorbei zu planen, als die deutsche Selbstverwaltung das aktuell tut, scheint da kaum möglich. Selbst die Ärzte Zeitung kommentiert bissig: „Ärzte und Kassen arbeiten derzeit die Vorgaben des E-Health-Gesetzes zur Übernahme telemedizinischer Leistungen ab. Sehr viel Enthusiasmus für die Möglichkeiten der Technik ist dabei nicht festzustellen.“
Repräsentative Umfrage der Bertelsmann-Stiftung
Addendum (27. Februar 2017): Im Vergleich zu den ursprünglichen Plänen hat der Bewertungsausschuss von KBV und Kassen die Systematik der Abrechnung am 21. Februar 2017 nochmals stark geändert. Details im Beitrag der Ärzte Zeitung.