Die DMEA letzte Woche (26.-28. April 2022) hat die hohen Erwartungen sicher nicht enttäuscht. Es gibt viel berichtenswertes und wir haben uns ein paar der Highlights für den heutigen Blog herausgepickt.
Bei der Podiumsdiskussion „Quo vadis Digital Health“ konnte sich die neue Abteilungsleiterin „Digitales und Innovation“ im Bundesgesundheitsministerium (BMG), Dr. Susanne Ozegowski, die Wunschlisten von Selbstverwaltung, Pflege, Patienten und Industrie anhören. Die waren so neu jetzt alle nicht, aber nach wie vor sind sie laut und schwer unter einen Hut zu bringen. Die Selbstverwaltung wünscht sich, dass das Netz „wirklich zuverlässig“ wird und natürlich eine angemessene Vergütung, während der Bundesverband Gesundheits-IT eine „grundsätzliche Technologie-Offenheit“ anmahnt. Der Deutsche Pflegerat wirft die Forderung in den Ring: „Digitalisierung muss es schaffen, Pflegerinnen und Pfleger zu entlasten und die Selbstbestimmung zu stärken“. Last not least sieht die Patientenvertreterin auf dem Podium es noch nicht umgesetzt, dass auch die Bedürfnisse der Patienten in die Entwicklung der E-Health-Strategie mit einfließen und dass der Prozess immer wieder aktualisiert wird. Die Digitalisierung als Hebel für mehr Transparenz und Chancengleichheit. Diese Wünsche können wir alle unterschreiben – und das schon seit 20 Jahren. Bleibt die Hoffnung, dass in dieser Legislaturperiode auch ein paar Vollzugsmeldungen kommen. Gar nicht so einfach, wenn parallel das Gesundheitssystem pandemiefest gemacht werden soll.
Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger ging in ihrer Keynote auf die wichtige Rolle digitaler Hilfsmittel und künstlicher Intelligenz (KI) für den Medizinalltag ein. Ihr Plädoyer: KI kann Patientendaten in ganz neue Zusammenhänge stellen und so neue Therapieansätze ermöglichen. Dafür, so die Ministerin weiter, müsse die Forschung praxisnaher werden: „Innovationen sind nur dann erfolgreich, wenn die Menschen sie akzeptieren“.
Dass Patienten bereit sind, Ihren Teil beizutragen, zeigt eine Umfrage der TK. 77 Prozent der Versicherten hatten dort angegeben, sie seien bereit, ihre Daten anonymisiert für Forschungszwecke zur Verfügung zu stellen. Unter Bedingungen sind sie dazu bereit, und eine davon heißt: Nicht für ein Unternehmen. Denn wenn die Daten in die private Wirtschaft gehen sollen, stimmen nur noch 20 Prozent einer Datenspende zu.
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach hatte nicht weniger als einen Strategiewechsel im Gepäck. Denn er sprach weniger über Zeitpläne und technische Details, vielmehr ging er noch einmal zurück auf LOS: „Digitalisierung im Gesundheitswesen bedeutet für mich nicht eine andere Form der Medizin, die wir immer gemacht haben, sondern eine bessere Medizin mit Nutzwert auf allen Ebenen“. Cool. Er erzählte, wie er in seiner Assistentenzeit in den USA schon den Segen einer sektorenübergreifenden Übermittlung von Patientendaten erleben durfte. Und wie er vor 20 Jahren im Wahlkampfteam des damaligen Bundeskanzlers (der heute aus anderem Grund in der Kritik steht) sagte: „Das brauchen wir auch.“
Dazu will er das Rad jetzt nicht neu erfinden, sondern die angelegte Infrastruktur umsetzen und ausbauen. Und – jetzt kommt’s: Nach dem Sommer soll über ein großes Beteiligungsverfahren eine E-Health-Strategie entwickelt werden. An deren Ende soll ein „erlebbarer Nutzen“ für Patienten, Ärzte, Pfleger und Kostenträger stehen. Fast zu schön um wahr zu sein … Die komplette Lauterbach-Rede – etwa eine Viertelstunde lang – sollten Sie sich unbedingt anhören.
Das ganze Vorhaben wird vor dem Hintergrund der jahrzehntealten Grabenkämpfe um Konnektoren, ePA und Datenschutz sicher kein Selbstläufer. Die Ankündigungen auf der DMEA machen aber nicht nur Hoffnung, sie zeigen auch, dass es in der Ampel offensichtlich eine Wechselstimmung für die Digitalisierung im Gesundheitswesen gibt. Am Ende wird man spätestens 2025 eine Bestandsaufnahme machen. Wenn die nächsten Bundestagswahlen anstehen. Und ob es dann auch wieder eine politische Wechselstimmung geben wird, hängt vielleicht auch von der Zufriedenheit der Bürger mit den Gesundheitskonzepten ab. Das wäre doch mal was …
DMEA: Keynote Prof. Lauterbach (Video 18 Minuten)