Schon sehr bald sollen alle Patientendaten routinemäßig in die elektronische Patientenakte (ePA) fließen – Laborbefunde, Bildgebungsdaten, Krankenhausdaten, Arzneimitteldaten, Daten aus der Pflege und den digitalen Gesundheitsanwendungen. Das ist sinnvoll, aber kein dünnes Brett zu bohren. Vor allem die praktische Umsetzung in Hunderttausenden von Praxen und die Datensicherheit geben Anlass zur Sorge.
Der Ärzteverbund MEDI fordert eine deutlich längere ePA-Testphase und auch der Hausärztinnen- und Hausärzteverband ist not amused. Der Bundesvorsitzende Dr. Markus Beier bezeichnete das Vorgehen des BMG als abenteuerlich (Link). Der Verband befürchtet, dass die Praxisteams auf Zuruf aus dem BMG von einem auf den anderen Tag mit der ePA starten sollen – ohne wirklich zu wissen wie. In Vor-Wahlkampfzeiten sind die Kommunikations-Prioritäten offensichtlich anders gelagert.
Hinzu kommen Bedenken zur Datensicherheit. Das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie SIT hatte im Auftrag der Gematik das Sicherheitskonzept der ePA überprüft und insgesamt 21 Schwachstellen im ePA-Konzept benannt. Davon wurden vier mit „hoch“ bewertet, weitere sechs „mittel“ und elf „gering“ eingestuft. Die prinzipiell angemessene Systemarchitektur lässt sich demnach noch verbessern.
Als besonders kritisch gelten die Primärsysteme. Hier fordern die Sicherheitsexperten verpflichtende Maßnahmen wie ein sicheres Verfahren zur Benutzerauthentifizierung, das Erzwingen sicherer Passwörter und das automatische Sperren von Sessions bei Inaktivität. Alles Dinge, die in sicherheitsrelevanten Umgebungen selbstverständlich sind, im Praxisablauf aber Zusatzaufwand bedeuten.
Zu allem Überfluss hat der Bundesgesundheitsminister jetzt noch eine weiter Baustelle eröffnet. Sein Ziel ist es, den „größten“, „repräsentativsten“ und „interessantesten“ Gesundheitsdatensatz weltweit aufzubauen. Wie Heise online berichtet, gab es auf der Digital Health Conference Ende November in Berlin durchaus umgläubiges Raunen als er verkündete, dazu mit OpenAI, Google und Co. im Gespräch zu sein (Link). „Da fragt man sich natürlich, wie das mit den gemeinwohlorientierten Zwecken zusammengehen soll“ halten die Kollegen von Heise treffend fest. Leider in diesen Tagen nicht die einzige unbeantwortete Frage.
Text: Reinhard Merz
Bild: leonardo.ai für arztCME